Beate Reinecker

Philosophische Texte

Acht ausgewählte Kapitel aus dem Buch:

Lügen, Irrwege und Scheinwelten
ISBN: 978-3744874915


Fremdbestimmung

Der Einzelne vernachlässigt häufig seine Ziele, Leidenschaften und Talente, da der bequeme Weg der Ablenkung und eines vordergründigen Genusses geradewegs in die Fremdbestimmung geführt haben. Das Selbst wurde immer schwächer, während es von stereotypen Aktivitäten abgelenkt wurde. Der Betroffene fühlt sich unwohl und spürt, dass er in seinem Leben kaum noch vorkommt. So hatte sich der Fremdbestimmte sein Leben in der Jugend wohl kaum vorgestellt. .

Andere Ansprüche haben sich über die eigenen Leidenschaften gelegt und der zähe Film aus der Fremdbestimmung, Mutlosigkeit und den sinkenden Kräften, blockiert das freie Denken und Handeln. Alltagszwänge, Verstrickungen aller Art scheinen keine Auswege mehr zuzulassen. Der Mensch fühlt sich gefangen wie in einer Zwangsjacke, von der er nicht weiß, wie lange sie noch getragen werden muss. Die inneren Kräfte versiegen, da die Batterien nicht aufgetankt werden können. Es wird die Spirale in den Abgrund in Gang gesetzt, da die Hilflosigkeit, Abhängigkeit und Kraftlosigkeit überhand nehmen. Solange der Mensch in der Fremdbestimmung vegetiert, solange wird er sich ohnmächtig, hilflos und kraftlos fühlen. Der Betroffene erfährt sich als schwach und das Selbstwertgefühl versiegt. Die Batterien können nicht aufgetankt werden. Die Quellen eines starken Selbst verkümmern, wenn eigene Impulse unterdrückt, verraten und überhört werden. Da die Situation immer auswegloser erscheint, wird den inneren Impulsen immer weniger Beachtung geschenkt. Menschen, die einen schonungslosen Spiegel vorhalten könnten, werden gemieden. Es werden stattdessen Personen aufgesucht, die den Anspruch vor sich hertragen, alles beim Alten lassen zu wollen, die ebenfalls keine Aufklärung wollen. In diesem Klub der Gefangenen wird wohl kaum die Frage gestellt werden:»Wofür schlägt mein Herz?«

Überhaupt werden echte persönliche Leidenschaften hintenan gestellt. Das tägliche Einerlei soll reibungslos funktionieren, das immer Wiederkehrende soll nicht in Frage gestellt werden. Man möchte sich nicht irgendwelchen unvorhersehbaren Kräften aussetzen und so stellt man sich gegen den Lebensfluss. Der Verdrängende wird weiterhin kräftig kompensieren. Die innere, mahnende Stimme soll überhört werden. Es ist ein krankhafter Zustand. Es ist der Zustand des Verdrängens, des Betäubens, des Kompensierens. Je nach Geldbeutel, gesellschaftlichem Stand und Ansehen, fallen die Ablenkungsmanöver und Kompensationsgelüste anders aus. Der Wohlhabende wird oft sehr viel reisen, sich durch Konsum und viele Genüsse ablenken. Er oder sie empfindet einen starken Drang zu flüchten. Es sind keine Reisen der Selbstfindung, sondern Versuche, der inneren Verzweiflung durch stetige Ortswechsel zu entkommen. Die Stimme soll beruhigt werden, die innere Stimme soll besänftigt werden. Das unerfüllte Ich soll schweigen. Um zu gesunden, müsste eine innere Umkehr stattfinden.


Wofür schlägt dein Herz?

       Viele Menschen verlieren ihre Flexibilität, ihre Individualität, weil sie unter dem Druck der vielen Anforderungen ihre Selbstbestimmtheit aufgeben. Nicht selten werden Überzeugungen, Leidenschaften und Visionen verraten. Die Stürme des Lebens hätten mehr Eigeninitiative, Mut und Unbeugsamkeit erfordert. Anpassung, Mutlosigkeit und Resignation breiten sich aus, wenn eigene Inhalte und Überzeugungen über Bord geworfen werden oder nicht konsequent genug erarbeitet wurden. Viele suchen kurzfristige, materielle Vorteile und verwerfen ihre früheren Überzeugungen, sie vernachlässigen die konsequente Arbeit an einer fundierten Einschätzung der drängenden Lebensfragen. Tragende Inhalte werden nur kurz durchdacht, schnell verworfen, weil Vorteile lockten und das Eintreten für Werte mühsam ist. Die nicht gängigen, die nicht allgemein anerkannten Sichtweisen, die eine gewisse Courage erfordert hätten, werden verworfen. Sie können ihrem Herzen und ihren ursprünglichen Zielen nicht treu bleiben. Sie geben es auf, inhaltlich zu forschen, wenn das Leben mit seinen Anforderungen, Mühsalen und oberflächlichen Strukturen den Blick aufs Wesentliche immer wieder versperrt. Sie können nicht im Herzen, im Geist und im Intellekt jung und authentisch, mutig und unangepasst bleiben. Viele Verlockungen und scheinbare Vorteile nehmen sie gefangen.  

Der ehrliche Anschluss an sich selbst verkümmerte. Die vielen Ansprüche von außen überlagerten das eigene Fühlen und Denken. Das Selbst war zu schwach, gegen die Fäden der Fremdbestimmung anzugehen. Eingewickelt und handlungsunfähig werden nur noch stereotype Aktivitäten aneinandergereiht. Der Betroffene hat das deprimierende Gefühl, im eigenen Leben nicht mehr vorzukommen.

Der Morast der Fernsteuerung, das Gift der Betäubung einer Welt, in der sich fast alles ausschließlich um den Konsum dreht, lässt den Menschen von sich selbst entfremden.

Ein selbstbestimmtes Leben erschien zu mühsam, die faulen Kompromisse ließen nicht lange auf sich warten. Die Freiheit und somit die Verantwortung wurden beiseitegeschoben. Das Ruder des Lebens wurde aus den Händen gegeben. Der Mensch wird sprachlos. Er stammelt entfremdete Worthülsen ohne Sinn und Verstand. Er befindet sich in der Grube der Selbstaufgabe und weiß keinen Ausweg mehr. Er kann sich nicht mehr spüren.

Nur wer auf sein Herz hört, kann immer neu erblühen. Er ist im Herzen jung und die Lebenserfahrung kann als Kraftquelle, als Wissensfundus genutzt werden. Wer sich selbst erneuern kann und neue Blüten hervorbringt, ist bis ins hohe Alter quicklebendig,

Darum sind wir gefordert, uns immer wieder die Frage zu stellen: »Wofür schlägt mein Herz?« Wir sind gefordert, uns selbst nicht zu verraten, denn nur so können wir lebendig bleiben. Wir dürfen nicht untätig und unkenntlich werden. Ein voller Terminkalender ist noch kein erfülltes Leben. Wir können in einer hektischen Betriebsamkeit an uns vorbeirauschen. Wir können von uns entfremdet werden. Unser eigener ganz individueller Kern macht uns aus und hält uns am Leben. Wir befinden uns in der Gefahr, uns zu verlieren, denn die Regeln, Pflichten und Ansprüche umgeben einen jeden von uns. Unsere Stärke, unser Mut und unsere Hoffnung können uns einen freien Blick ermöglichen. »Welche Phantasien und Träume haben wir? Welche drängenden Themen machen uns in unserem inneren Kern aus? Wofür brennen wir?«

Wir können schnell abfackeln, wenn wir in unserem Leben nicht mehr vorkommen. Wir können uns aufgeben, unglücklich werden und unsere Impulse verraten. Unsere individuelle Entfaltung ist in jedem Alter bedroht. Wir kennen die Probleme der fremden Erwartungen, der wirtschaftlichen Gründen und den scheinbaren Vorteilen. Die Fremdbestimmung lauert überall, sie lässt den Kontakt zum eigenen Kern verflachen. Der Mensch ist zutiefst bedroht. Wenn faule Kompromisse überwiegen, verabschiedet sich der Klarblick. Träume werden begraben, wenn die Fremdbestimmung zuschnappt. Zwänge halten den Menschen gefangen. Depressionen und Süchte klopfen an. Der Kontakt zum eigenen Kern verflacht schnell, wenn man als Mensch anderen dienen und gefallen will. Die Tretmühle eines fremdbestimmten Alltags lässt den Menschen oft hilflos zurück. Er fühlt sich überfordert, lustlos, perspektivlos  

Der Kontakt zu den ursprünglichen Anliegen des eigenen Selbst müsste wieder hergestellt werden. Wer sich aus einer Ohnmacht befreien will, sollte die Ernsthaftigkeit und den Mut aufbringen, zum inneren Kern vorzudringen. »Wofür schlägt dein Herz?« Diese Frage hat es in sich. Wer diese Frage ehrlich vor sich selbst beantworten kann, wer es sich zutraut, es auszuhalten, ehrlich zu antworten, der ist schon ein großes Stück vorrangekommen. »Trau dich, die Fragen, die deine Identität betreffen, zu stellen!« Es erfordert von uns eine gehörige Portion Lebensmut, angesichts der vielen Verästelungen in Verpflichtungen, Ritualisierungen und Zwängen, ehrliche Antworten zuzulassen. Wir sind eingebunden, verpflichtet und im Alltag in vielschichtiger Art und Weise gefordert. »Wo sind wir noch authentisch und wo schleichen sich faule Kompromisse ein?« Wir haben nur eine begrenzte Lebenszeit zur Verfügung und es ist ratsam zu schauen, ob wir uns in einer Sackgasse befinden. In Ruhe, Gelassenheit und in der größtmöglichen Klarheit können wir uns die Frage nach unserer Identität immer wieder aufs neue Stellen. Diese Aufgabe bleibt, solange wir leben. Diese drängende Lebensaufgabe sollten wir nicht verleugnen. Solange wir noch eine Chance sehen, unser Leben neu auszurichten, solange wir noch kräftig, mutig und lebendig genug sind, uns zu hören, uns zu vertrauen, uns zu verändern, solange können wir viel bewegen. Es bleibt tägliche Arbeit, auf dem selbstbestimmten Lebenskurs zu segeln. Es bleibt eine lebenslange Herausforderung, zu uns ehrlich zu sein, nicht immer wieder zu verdrängen, zu lügen und unser Selbst zu verraten. Kleinigkeiten sind in unserer Lebensführung bereits entscheidend. Wenn wir uns in Zwängen befinden, so können bereits kleine Veränderungen Weichen stellen. Wir können uns einem freieren Leben behutsam nähern. Kleine Freuden und gelungene Taten, die uns spiegeln, können unser Leben verändern. Schritt für Schritt werden wir in der Lage sein, uns an unser eigentliches Selbst heran zu tasten. Durch das Gelingen tanken wir unsere Batterien auf. Wenn es sich richtig und gut anfühlt, wenn wir in unserem Handeln aufgehen, dann knüpfen wir an unserem Kern an, dann belügen wir uns nicht. Wenn wir uns unwohl fühlen, können wir versuchen, die Ursachen zu ergründen. Wenn wir etwas ändern sollten, so helfen bereits kleine Schritte in die richtige Richtung. Neue Alltagsstrukturen, andere Menschen und Aktivitäten vermitteln neue Impulse, andere Gefühle und neue Energien. Der Trampelpfad konnte verlassen werden. Die Scheuklappen abgenommen und vernichtet werden. Wenn wir hinter unserem Handeln stehen können, erfahren wir Sinn und Erfüllung. Das Leben wird wieder lebenswert. Der neue Tag lockt mit neuen Verheißungen, neuen Überraschungen, da Neues ins Leben treten darf. Wir sind gefordert, diesen Lebensgestaltungsprozess immer wieder zu initiieren, zu beleben und uns nicht davor zu scheuen, mutig alte Pfade zu verwerfen. Wir sollten unseren Träumen, unseren Phantasien eine Chance geben. Wir werden uns nicht von dem Trott überrollen lassen. »Lasst uns niemals im Morast steckenbleiben! Lasst uns immer wieder in Höhen hinaufschwingen, aus denen wir einen besseren Überblick bekommen!« Neue Perspektiven, neue Wege sind gefordert, wenn die alten verstören und traurig machen. Die Freiheit im Denken gibt uns die Chance auf andere Lebensprozesse. Ein klarer Verstand und ein großes Herz gehören zusammen. Die Selbstbestimmung verhilft uns zum Ich, zum Du, zum erfüllten Leben.


Die Orientierung

Angesichts der Menschheitsentwicklung befinden wir uns in einer beispiellosen Zeit, in der wir im Laufe unserer Biographie einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum benötigen, um uns zu orientieren. Wir leben nicht mehr isoliert und abgeschirmt in sozialen Verbänden, die in sich geschlossen, völlig losgelöst vom Rest der Gesellschaft, mit einem Monopol auf alleinige Wahrheit und Richtigkeit pochen können, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, als fundamentalistisch zu gelten. Somit sind die einzelnen Religionen innerhalb einer Demokratie immer wieder angehalten, Offenheit und Transparenz walten zu lassen. Sie sind ebenso gefordert, einer offenen, pluralistischen Gesellschaftsform zu entsprechen, die die demokratischen Grundgesetze respektiert. Einzelne Religionen, Parteien und Weltanschauungen mögen einen alleinigen Wahrheitsanspruch postulieren, doch der einzelne Bürger erlebt eine multikulturelle Gesellschaft, in der er oder sie sich zurechtfinden muss. Es gibt nicht die eine Religion, die eine Partei oder Weltauffassung. Der Bürger ist gefordert, selbst zu denken und zu entscheiden, sich zu informieren. Die kulturellen und religiösen Angebote unserer unmittelbaren Umgebung diktieren uns nicht automatisch unsere Lebensausrichtung. Wir erfahren eine Vielzahl von Denkrichtungen im Laufe unserer Kindheit und Jugend, da wir mit anderen Religionen und den unterschiedlichen politischen Ausprägungen inhaltlich konfrontiert sind. Die Medien, unsere globale Vernetzung bieten uns zusätzlich eine ungeheure Vielfalt an Informationen. Wir wissen um Völker, die noch recht isoliert in begrenzten Landstrichen über viele Jahrhunderte ihr kulturelles Wissen vermittelt haben und dies immer noch leisten können. Wir wissen um Mischformen sozialen Lebens, bei denen zum Beispiel indigene Gruppen alte Traditionen mit neuen Denkrichtungen verflechten, um zu überleben. Fest steht, dass der Mensch generell lange Zeit braucht, um erwachsen zu werden, um in einem nächsten Schritt sich eine ganz individuelle Ausrichtung zu erarbeiten. So fällt diese Arbeit natürlich sehr individuell aus und sie ist von der eigenen Kultur, dem direkten Umfeld stark abhängig. Doch wir leben in einem Zeitalter, das so rasant immer neue Kommunikationswege bereithält, wie es in der Menschheitsgeschichte noch nie der Fall war. Galt es vor Jahrhunderten als rasanter Fortschritt, die Welt zu umsegeln und nach ein paar Jahren, wenn alles gut ging, den Heimathafen zu erreichen, um abends bei Kerzenschein von den anderen Völkern zu berichten, so schicken wir nun im Sekundentakt Nachrichten um die Welt. Gleichzeitig ist das wirkliche Verstehen, das sich Orientieren, global gesehen ein Problem. Wir wachsen in kulturellen Umständen auf, die eine Vielzahl von Fakten beinhalten: Die Sprache, die Religion, das soziale Verständnis untereinander und viele, viele andere Faktoren bestimmen unseren Alltag. Jeder Mensch, egal, wo er geboren wird, braucht Zeit, um sich zu orientieren, um Werte und soziale Gepflogenheiten mental zu erfassen. Jeder Mensch wird durch sein unmittelbares Umfeld entscheidend geprägt. Jeder, ganz egal, wo er geboren wird, erfährt durch seine Umgebung die notwendige Zuwendung, um zum Menschen zu werden, um ein Mensch zu sein, mit allem was dazu gehört. Wir würden zum »Kasper Hauser«, wenn wir keine Zuwendung erfahren würden. Diese lange Orientierungsphase ist beim Menschen absolut notwendig, um ein soziales, erfülltes Leben zu führen. Der lebenslange Lernprozess wäre ein optimaler Zustand, um in der schnelllebigen Zeit immer wieder die eigene Orientierung zu erneuern. Da sich die Kontexte immer schneller verändern, benötigen wir alle täglich neue Informationen. Auch in politischer Hinsicht sind die Veränderungen sehr schnell und tiefgreifend, so dass die Folgen unser aller Leben betreffen. Wir müssen uns immer wieder neu orientieren, informieren und uns eine Meinung erarbeiten, um eine Teilhabe an der Demokratie zu erleben. Viele Informationen nehmen wir in unserem hektischen Alltag auf und die wenigsten verarbeiten wir bewusst. Die Informationsflut ist überwältigend, denn die Zeit, die uns bleibt, die immer neuen Fakten aufzunehmen, ist begrenzt. Der Mensch fühlt sich schnell überfordert, wenn sich die Lebensumstände so schnell verändern. Wir sind angehalten, uns zu orientieren, denn ein Weggucken würde ein schrittweises Aufgeben, vielleicht sogar ein Resignieren nach sich ziehen. Wer ein mündiger Demokrat sein will, muss sich immer neuen Fakten stellen und sich ein eigenes Bild seiner Umgebung erarbeiten. Wir benötigen demnach viel Zeit, Mut und Kraft, um unsere Augen und um unser Herz offen zu halten. Wir brauchen einen hellwachen Verstand, um mit einer Aufgeschlossenheit, an der Lebensorientierung kontinuierlich zu arbeiten. Die Zeiten ändern sich schnell und wenn wir wegsehen, verstehen wir unsere Lebensbedingungen nicht mehr. Zu unserer Mündigkeit gehört unsere Informiertheit, unsere Orientierung. Es ist deshalb unverzichtbar, die Informationen an uns heranzulassen. Die Fakten, die Bedingungen unseres Lebens ermöglichen es uns, gesellschaftliche Kontexte zu denken. Dies ist die Voraussetzung, um historische Zusammenhänge zu erkennen. Wenn wir diese Informationen nicht genügend aufnehmen, so können wir niederschmetternden Manipulationen anheimfallen. Jeder Mensch, der die Hintergründe unserer schnelllebigen Zeit nicht denken kann, ist ein Gefährdeter, ein leicht zu Manipulierender. Man denke in diesem Kontext nur an die Flüchtlingskrise, bei der immer wieder Stimmung gemacht wird, Fakten und Probleme genutzt werden, um gegen Menschengruppen zu hetzen. Ein orientierungsloser Mensch kann sogar gefährdet sein, im braunen Sumpf zu enden. Es sind in den Krisenzeiten immer Menschenfänger unterwegs, die die Unzufriedenheit vieler nutzen, um sie für ihre menschenverachtende Politik zu missbrauchen. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie stark die Demokratie gelebt wird. Da jeder einzelne Bürger wichtig ist, kommt es darauf an, möglichst jeden abzuholen, zu bilden, aufzuklären und bei möglichst allen Bürgern ein Bewusstsein für die Demokratie zu schaffen. Dies setzt ein Höchstmaß an Bildung voraus. Dies setzt eine gehörige Portion Geld und alle zur Verfügung zu stellenden Mittel und Vorbilder, Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter voraus, die die Menschen abholen, die zur Orientierung beitragen können. Wir Menschen sind von Natur aus auf Hilfe angewiesen. Wir verkümmern, verrohen und wir scheitern als Mensch, wenn wir nicht zu einem sozialen Wesen erzogen werden. Von daher müssen auch die und vor allem die als Gescheiterte angesehen werden, die in der globalisierten Welt nur nach Schlupflöchern Ausschau halten. Diese moralisch höchst verwerfliche Ausrichtung zeugt von einer menschenverachtenden Haltung. Es ist eine verwerfliche Desorientierung, die oft straffrei gelebt werden kann, weil die globalen Märkte es hergeben. Doch auch die Werbung oder die Politik, die dieses Denken fördern, sind moralisch zu verurteilen. Es ist zu kritisieren, dass eine Gerissenheit, die auf Kosten anderer funktionieren soll und kann, als clever verkauft wird. In einer Zeit, in der die engen, sozialen Kontexte im Leben eines Menschen nicht den unmittelbaren stärksten Einfluss hergeben, ist ein globales ethisches Bewusstsein gefragt. Die Politiker sind gut beraten, wenn sie ihre Entscheidungen in globalen Kontexten treffen und wenn sie nicht in vordergründigen nationalen Denkrichtungen verharren. Armut, Klima, Verseuchung, Krieg und Frieden bleiben globale Herausforderungen. Alles hängt mit allem zusammen und die Menschheit kann nur noch gemeinsam durchdringende Problemlösungen erreichen. Diesem langfristigen Anliegen steht die bodenlose Raffgier weniger entgegen, die nie bekannte »Erfolge« feiern. Ihr Kapital vermehrt sich rasant und gleichzeitig werden immer mehr Menschen obdachlos, vertrieben, krank und desorientiert. Es schöpfen immer mehr wenige Reiche unglaublich viel ab, während die Armut und Desorientierung voranschreiten. Auch der Terror ist ein Auswuchs der Desorientierung. Wenn Menschen es vorziehen, sich selbst und andere in die Luft zu sprengen, dann ist viel falsch gelaufen. Dann kann man nicht von der Umsetzung einer menschlichen Orientierung sprechen, es ist das brutale Gegenteil. Diese menschenverachtende Einstellung basiert nicht selten auf einer Frustration über Generationen. Dort, wo der Bildungsnotstand, die Armut und die nackte Verzweiflung vorherrschen, dort haben Fundamentalisten große Chancen, Menschen einzufangen. Die Fundamentalismen breiten sich angesichts der großen sozialen Verwerfungen rasant aus. Wir feiern erschreckenderweise immer noch viele Globalplayer, die sich mit ihren »Erfolgen« brüsten. Es wird immer noch nicht genau genug hingesehen, wie manche Menschen ungeahnte Summen am Fiskus vorbei erwirtschaften. Dies sind die moralischen Verwerfungen einer globalisierten Welt. Dies führt zur Politikverdrossenheit, zur Abkehr von der Gesellschaft, zum Verdrängen. Wir können die Jugend nur noch überzeugen und zu einer gerechten Lebensorientierung heranführen, wenn die modernen Gesellschaften ethisch ausgerichtet sind. Dies ist ein kulturübergreifendes, internationales Ziel. Dies kann nur global gelöst werden. Die Verwerfungen müssen demnach auch global verfolgt werden. Das Wegschauen, Verdrängen und das Feiern einer unverfrorenen Elite kann und darf nicht unsere Welt gefährden. Wir brauchen die Bildung, die Orientierung in einer Weise, die nicht isoliert von Werten vermittelt wird. Es handelt sich dabei um eine humane, nachhaltige und gerechte Lebensausrichtung. Umso entscheidender ist es in diesem Zuge, die Verursacher der Armut, somit die globalen Steuerflüchtlinge zu ächten. Alle Politiker sind weltweit gefordert, gegen diese verwerflichen Machenschaften vorzugehen. Die Korruption, die Verschleppung von Spendengeldern, der Verstoß gegen die Menschlichkeit, ist weltweit zu bekämpfen. Es ist ein schlimmes Märchen vom Prinzen, der in die Welt zog, um möglichst viel Geld zu erwirtschaften, egal wie. Wir brauchen andere Märchen, andere Vorbilder, andere Lebensausrichtungen, die den Menschen eine Hoffnung auf Gerechtigkeit vermitteln. Viele, die sich ungerecht behandelt fühlen, kehren sich von den Gemeinschaften, Familien, sozialen Bezügen ab, um sich zu radikalisieren. Wir tragen alle Verantwortung dafür, dass es nicht geschieht. Wir sollten niemals die Schläue und Gerissenheit in einer globalen Welt feiern, um kurzfristige, zweifelhafte Gewinne zu feiern. Wir alle sollten unser Handeln auf die Gerechtigkeit und somit auch auf die Nachhaltigkeit hin überprüfen. Wir alle sollten zu Vorbildern werden, damit es die Menschen nicht mehr nötig haben, sich zu radikalisieren. Wir alle sollten diejenigen nicht mehr feiern, die blind und unreflektiert über alle Maßen konsumieren und sich dabei auch noch wichtig fühlen. Wir schicken die falschen Botschaften in die Welt, wenn wir den Konsum über alles stellen. Wir schicken die falschen Vorbilder in die Welt, wenn pausenlos die maßlosen Konsumenten angepriesen, gefeiert werden. Die Maßlosen, die Bewusstlosen, die somit Desorientierten sollten uns betroffen und zutiefst grübelnd zurücklassen. Wir dürfen uns nicht der Gehirnwäsche einer aus den Fugen geratenen Freizeitindustrie hingeben. Wir alle sind gefragt, keine geschmierten Zombies zu werden, die mit einem dicken Bauch und unklaren Gedanken vegetieren. »Lasst uns zu kritischen, hellwachen Bürgern werden, die die Gerechtigkeit denken können! Lasst uns zu bewusst Denkenden werden, die es nicht nötig haben, in einer fragwürdigen Freizeitwelt oberflächlichen Scheinwelten zu begegnen. Lasst uns gemeinsam die Gerechtigkeit denken und Schritt für Schritt umsetzen!«


Freiheit, Würde, Selbstbestimmung

Um frei entscheiden zu können, muss ich eine Wahl haben. Um auswählen zu können, brauche ich Wissen, um die Inhalte meiner Entscheidung zu verstehen, die Kontexte meines Handelns zu überblicken. Ich benötige also Inhalte, einen Fundus aus Fakten, den ich in einen Bezug zu mir selbst stellen kann. Um in den Genuss einer selbstbestimmten Wahl, Entscheidung zu kommen, brauche ich Informationen, Grundvoraussetzungen, Bildung, um mir ein Bild zu ermöglichen. Das Leben bietet in vielerlei Hinsicht die Möglichkeit, die Notwendigkeit zu wählen, ja oder nein zu sagen, einen beschrittenen Lebensweg weiterhin zu gehen, oder sich neu zu orientieren. Wir müssen Menschen auswählen, die wir in unser Leben lassen, wir sollten die Chance haben, einen Beruf zu ergreifen und eine Familie zu gründen. Diese selbstbestimmten Entscheidungen geben uns die Möglichkeit, uns als kompetent und frei zu erleben. In unseren Handlungen erfahren wir Sinn, wir erleben uns als Mensch, da bestenfalls unserem Denken unsere Taten folgen. Um immer wieder aufs Neue frei entscheiden zu können, benötigen wir entsprechende Rahmenbedingungen, Voraussetzungen, die es ermöglichen, selbstbestimmt zu agieren, selbstbestimmt zu denken und zu handeln. Der Mensch erfährt sich als selbstbestimmt, frei und mündig, wenn er die Chance einer Wahl hat, wenn er der Lenker seines Lebens sein darf. Ein erfülltes Leben ist somit auch immer ein selbstbestimmtes Leben. Dies setzt auch und vor allem eine psychische Unabhängigkeit voraus. Überlasse ich das Denken anderen, übergebe ich meine Entscheidungskompetenz anderen Menschen, so lebe ich in Abhängigkeiten. Werde ich zum Nachplapperer, sage ich, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr meine Meinung oder noch schlimmer, verdränge ich sie bereits im Vorfeld, so kann ich nicht frei handeln. Es ist immer wieder zu beobachten, dass Menschen aus finanziellen Gründen handlungsunfähig werden. Sie übergeben ihr Lebensruder dem Zahlungskräftigen, verzichten auf eine eigene Meinung, lassen sich treiben und plappern alles nach, was von ihnen verlangt wird. Diese Menschen befinden sich in einer fremdbestimmten Lebenslage, wobei die Ursachen ihrer Schwäche, ihrer Schieflage immer andere sind: Ein zu geringes Selbstvertrauen, mangelnde Durchsetzungskraft, ein früh gebrochenes Rückgrat. Der schwache Mensch wird schnell Opfer von Manipulationen und läuft nur allzu gern irgendwelchen Gruppen und dominanten Personen hinterher. Der Mitläufer entscheidet nicht mehr selbst. Er wird eine Gefahr für sich und die Demokratie. Die Demokratie braucht starke Menschen, die auch in Krisenzeiten zu den demokratischen Werten stehen und nicht das Fähnchen nach dem Winde drehen. Dem Mitläufer kann man nicht trauen. Niemand kann ihn einschätzen, denn er schwenkt seine Fahne mal hierhin und mal dorthin, er oder sie weiß selber nicht, wohin die Reise gehen wird, denn es geht nur um irgendwelche, dubiosen Vorteile. Die Mitläufer sind in ihrer Schwäche grundsätzlich eine sehr große Gefahr, denn sie führen oft skrupellos irgendwelche Befehle aus, ohne etwas dagegenzusetzen. Sie sind Marionetten, Handlanger, ausführende Puppen, die an Fäden zappeln. Diese Menschen verraten andere, können jederzeit zum Spitzel, zum Denunzianten werden, um irgendjemandem zu gefallen, um Vorteile einzuheimsen. Sie sind schwach und unberechenbar, man kann ihnen nicht trauen, nichts Gutes zutrauen. Eine Demokratie kann in Krisenzeiten durch Mitläufer einen enormen Schaden nehmen. Ein schwacher Charakter ist somit gar nicht in der Lage, für seine Unabhängigkeit einzustehen. Das Ruder wird für irgendwelche Vorteile aus den Händen gegeben. Die Eigenständigkeit, die Mündigkeit löst sich auf oder wurde niemals erreicht. Beim kleinsten Luftzug fallen diese Mitläufer um. Für die Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit muss sich jeder selbst, zielgenau und kräftig einsetzten. Mündig zu sein und zu bleiben, ist eine Lebensaufgabe. Es bedeutet, dass man selbstständig denkt und um seine Informationen täglich bemüht ist. Man muss sich ein Bild von seinen Lebenskontexten erarbeiten. Niemand kann selbstständig entscheiden, wenn er ein unterdrückter, ängstlicher Mitläufer oder ein uninformierter, lethargischer Faulenzer ist. Der Fleiß liegt in der Erarbeitung der Selbstbestimmtheit, der Unabhängigkeit und der Kompetenz, Lebensumstände begreifen, beurteilen zu können. Nur wenn wir mündig leben, wenn wir selbstständig entscheiden, erfahren wir Würde. Wir müssen immer in der Lage bleiben, über unser Leben selbst entscheiden zu können. Wir müssen unsere Würde bewahren. Deshalb ist es so wichtig, niemals ohnmächtig, verdrängend und fremdbestimmt zu vegetieren. Wir erfahren Rechte und Pflichten. Wir erleben uns in einer Demokratie als Rechtsbürger mit Pflichten. Wir genießen Rechtsschutz, wir haben die moralische Pflicht, nicht zum bequemen Mitläufer zu werden. Besonders in Krisenzeiten ist unser aller Rückgrat gefragt. »Lasst uns niemals die Demokratie verraten! Lasst uns, uns selbst niemals aufgeben und uns selbst verraten! Lasst uns niemals die unbequemen Denker verraten, denn wir brauchen sie, wenn sich so viele sich selbst am nächsten sind!« Unsere eigene Lebensgrenze sollte in dem Moment konsequent gezogen werden, wenn jemand Selbstaufgabe und Selbstverleugnung verlangt, wenn jemand den Verrat des Selbst und den Verrat der Demokratie fordert. Der Mitläufer verrät sich meistens selbst, wirft sein Wollen über Bord um zu gehorchen und nachzulaufen. Er ist als eigenständige Person nicht mehr existent. Jeder Mensch, der zur Aufgabe deiner Ziele, deiner Meinung, deiner Vorlieben aufruft, will dir deine Würde nehmen. »Kämpfe um dich! Nur ein starker Mensch kann ein starker Demokrat sein!« Wir haben Rechte, wir haben Pflichten. Im Schutze der Rechte, können wir Freiheit leben. Wir dürfen diejenigen nicht akzeptieren, die die Freiheit nutzen, um den Rechtsstaat abzubauen. Wir dürfen diejenigen nicht weiter wüten lassen, die anderen ihre Würde nehmen wollen. Wir dürfen nicht nachlassen, Aufklärung zu betreiben. Die Partnerwahl, die Berufsorientierung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wir haben so viel zu beschützen. Jeder Bürger der Demokratie ist ein Teilhaber der Bürgerrechte. Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Freiheit und Stärke passen zusammen. Die eigene Würde kann nur gewahrt bleiben, wenn die Lebensumstände ein würdevolles Leben zulassen. Die Freiheit eines Menschen kann nur erfahren werden, wenn er Optionen, Chancen einer Wahl erfährt. Jeder Mensch ist somit gefordert an seiner Kompetenz, Lebenstüchtigkeit und an seinem Wissens- und Beurteilungshorizont zu arbeiten. Ein starker Mensch kann seine Verantwortung und somit seine Freiheit leben. Ein Desorientierter wird viele Chancen nicht nutzen können, da er die Freiheit missbraucht oder verrät. Jeder Bürger ist angehalten, seine Lebenskompetenz immer weiter zu verfolgen, niemals nachzulassen. Jeder muss sich einen Wissens- und Urteilshorizont erarbeiten. Diese Arbeit hört niemals auf. Die Zeiten ändern sich und wir sollten niemals nachlassen, uns zu informieren. Die Orientierung bietet die Wahl. Die Bildung bedeutet die Chance auf eine Urteilskraft. Somit ist der Mensch aufgefordert, die gesellschaftlichen Kontexte zu begreifen. Die Freiheit und die Mündigkeit setzen eine kontinuierliche Arbeit voraus. Wer wählen will, braucht Orientierung. Er ist aufgefordert mitzugehen, mitzudenken, sich einzubringen. Die Mündigkeit setzt Wissen voraus. Dieses sollte aktualisiert werden. Wenn ich die politische Situation, in der ich lebe, begreifen will, so kann ich dies nur auf dem Fundus der Tagespolitik realisieren. Unsere schnelllebige Zeit erfordert die permanente Aktualisierung unserer Wissensgrundlage. Die sinnstiftenden Handlungen lassen ein würdevolles Leben gedeihen. Wir erfahren uns als lebendige Bürger, wenn wir mit unseren Taten die Gesellschaft stützen. Wir alle können und sollten unseren Beitrag leisten. »Hüte dich vor dem Mitläufer!« Wenn wir geistig lebendig, flexibel und lernbereit bleiben, so sorgen wir für die Grundlage unserer Mündigkeit. Wir werden nicht nachlassen, uns zu orientieren, egal wie verwirrend und schwierig die Zeiten werden. Unser Wissen befähigt uns zur Wahl unserer Entscheidungen. Wir werden nicht nachlassen, unseren Horizont zu aktualisieren, wir werden nicht nachlassen, uns einzubringen, in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Wir werden in sinnstiftenden Handlungen unsere Würde immer wieder neu erfahren dürfen. Die eigenen reifen Handlungen entspringen den durchdachten Überzeugungen. Wir partizipieren somit an der Gesellschaft. Sinnvolle Handlungen werden von den Mitmenschen als bereichernd empfunden. Wir selbst spiegeln uns in unseren sinnvollen Handlungen. Wir erleben uns als wertvoll, mündig, selbstbestimmt und frei. Somit erlebt sich der Demokrat in einer freien Gesellschaft, indem er sich in diese verantwortungsvoll einbringt. Die Gesellschaft liefert den Rahmen, die Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben. Die reife Handlung ist diejenige, die einer freien Überzeugung entspringt. Die moralische Kompetenz ist der Schlüssel zur Selbstbestimmung und zur reifen Tat. Diese Handlungen festigen die Demokratie.


Der Feuervogel

Dein Leben gleicht einem Schlachtfeld. Du schaust in den Fernseher und hörst von der Bombardierung so vieler Unschuldiger. Gleichzeitig empfindest du dein eigenes Leben als einen mörderischen Kampf ums Überleben. Tagtäglich hast du Angst, nicht auf die Minen der Destruktiven zu treten. Dein Umfeld ist verseucht. Dein Leben gleicht einem Höllenritt, es geht um deine seelische Existenz. Es fühlt sich an wie eine schreckliche Verfolgungsjagd. Es fühlt sich an wie ein Anschlag auf dich, deine Psyche, dein Innenleben. Du weißt, dass viele Menschen so tiefe innere Verletzungen nicht überstehen, sie werden an Depressionen zu Grunde gehen, sie werden sich ritzen, sich selbst verletzen, sich auslöschen lassen. Alles ist möglich, wenn ein Mensch immer und immer wieder innerlich erschüttert, zutiefst verletzt und gedemütigt wird. Die Angriffe, die Übergriffe auf das Selbst verhindern ein Leben in Würde. Nirgendwo gibt es Schutz, einen Frieden, der ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Du hast Angst vor der psychischen Folter, vor den Tretminen der Destruktiven. Sie spielen ein doppelbödiges, unberechenbares Spiel. Jeder Kontakt zu ihnen bedeutet: Abwertung, tiefe Verletzungen und deine Erniedrigung. Du willst fliehen und du weißt, dass dich eine Reihe von Abhängigkeiten immer wieder an die Tatorte zurückkehren lässt. Du willst um deine Würde, dein Innenleben kämpfen, du willst dich nicht aufgeben, nicht brechen lassen. Die niederschmetternden Worte der Destruktiven dürfen dein Herz und deinen Verstand nicht mehr erreichen dürfen. Du willst niemals als ein verrohter Mensch ohne inneres Feuer enden. Du willst leben, ein Mensch bleiben, nicht zum ausgehöhlten Zombie werden. Du willst deine Güte, deine Liebesfähigkeit und Sensibilität bewahren. Du willst du selbst bleiben und deshalb darfst du niemals den Destruktiven trauen, ihnen etwas anvertrauen. Sie werden alles verdrehen und sie wollen dir eintrichtern, dass du wertlos, ein Nichts bist. »Woher kommt die vernichtende Kraft der Destruktivität? Warum wollen Menschen andere zutiefst verletzen, sie mitten ins Herz treffen, ihnen ihre Würde nehmen? Warum nutzen Menschen ihr Geld, ihre Macht, um andere zu demütigen, sie vor sich herzutreiben, ihnen den Glauben an sich selbst zu nehmen? Was kann Menschen dazu bewegen, anderen ihr Selbst rauben zu wollen?« Du spürst diesen eiskalten Sturm der entwürdigenden Intrigen, der Lügen und Abwertungen. Jeder deiner Schritte fühlt sich wie ein Risiko an, du könntest auf eine neue Mine treten. Du überlegst dir jedes Wort, alles könnte gegen dich verwandt werden. Dein Handeln wird beobachtet und du darfst dir keinen Fehler erlauben. Die Destruktiven warten nur darauf, dass du fallen könntest, dass du stolpern und versagen könntest. Sie warten auf dein Scheitern wie die Geier der Wüste. Sie werden, wenn du taumeln solltest, dich mit ihren Blicken verfolgen und sofort zuschlagen, wenn sich eine Chance bietet. Jeder falsche Schritt, jedes Stolpern werden sie nutzen, ausnutzen, gegen dich verwenden und wenn du fehlerfrei wärst, würden sie irgendwelche Märchen über dich verbreiten. Du kannst Destruktive niemals befriedigen, befrieden und an eine Gerechtigkeit appellieren. Sie suchen die Zerstörung und deshalb fühlst du dich in ihrer Gegenwart wie im Krieg. Du fürchtest um dein Leben, denn du willst nicht an den Demütigungen, Abwertungen und Lügen sterben. Du willst überleben und nicht länger auf diese Minen treten. Sie hatten dir das Gift der Angst eingeflößt, sie hatten dir das Gift der Selbstzweifel verabreicht. Sie hatten versucht, dir jegliches Selbstwertgefühl zu nehmen. Sie wollten dich als dienendes Aschenputtel, schwach, ohne Selbstbewusstsein, ohne Mut und eigenen Willen. Du solltest wie eine Hülle über den Boden schweben, ihnen dienen und den Mund halten. Dazu brauchten sie einen Menschen ohne Rückgrat, ohne Willen und Selbstachtung. Sie schauten auf deine Schritte und warteten wie die Geier. »Wann würdest du fallen, zu Boden gehen, dich geschlagen geben? Wann würdest du dich endlich komplett aufgeben und nur noch unterwürfig dienen? Wann würde dich endlich dein Ich verlassen?« Du solltest dich nichts mehr trauen und zutrauen. Du solltest entmutigt daherschleichen. Du solltest gebrochen werden. Deine innere Kraft sollte erlöschen und dein Wollen sollte endgültig schweigen. Du hattest zu gehorchen und rund um die Uhr zu dienen, zu funktionieren. Deine Stärke wurde als Frechheit bezeichnet. Dein Wille wurde als Anmaßung abgestempelt. Du solltest nichts dürfen, fordern oder wollen. Dein Wille sollte endgültig schweigen, denn man war niemals an dir interessiert. Würdelos und geschwächt solltest du in deinem Leben nicht mehr vorkommen. Die Selbstverwirklichung, die Liebe und Kreativität sollten aus deinem Leben verschwinden. Du solltest aus deinem eigenen Leben verschwinden. Es fühlte sich wie Krieg an. Deine Unterwerfung sollte die Destruktiven innerlich befriedigen und da du einen starken Willen hattest, wurden ihre perfiden Pläne immer brutaler. Sie heckten sich immer wieder neue Schachzüge aus, um dich im Labyrinth der Lügen und Widersprüche gefangen zu halten. Wenn du zu Boden gingst, schlugen sie gnadenlos zu, um dir später ein Butterbrot zu reichen. Du solltest schließlich weiterhin dienen können. Es machte Spaß, dich zu quälen. Es war dein Kriegszustand, den du nie wolltest. Du holtest täglich die weiße Flagge hervor. Du wurdest nicht müde zu befrieden, zu reden, die Wahrheit auszusprechen und genau das provozierte die Destruktiven: Sie hassten deine Friedensbemühungen. Sie hassten deine Wärme, deine Seele, deine Sprache und jedes Zeichen, das von dir gesandt wurde, provozierte sie aufs Neue. Jedes Zeichen erzählte, dass du mit deinem Selbst noch vorhanden warst. Sie wollten aus dir einen Geschlagenen werden lassen und deine Friedensbemühungen sprachen von deiner Existenz und von deiner Stärke. Du warst immer noch in der Lage, frei zu denken, frei zu sprechen und friedlich zu handeln. Du warst weder wie sie geworden, noch schwach und unterwürfig. Du warst immer noch du selbst. Das brachte die Destruktiven zur Raserei. Sie rüsteten noch stärker auf. Dir konnten sie niemals das Wasser reichen. Sie konnten dich nie verstehen. Deine Sprache hatte mit der Wolfssprache nichts zu tun. Du suchtest nach der Klarheit, Wahrheit und Gerechtigkeit. Du befandest dich nun in ganz anderen Gefilden, denn deine Intelligenz und dein gutes Herz konnten dich frei werden lassen. Sie konnten dich nicht auslöschen. Du bist aus allem gestärkt hervorgegangen. Manchmal schaust du dir die Narben an. Manchmal schmerzt deine Seele. Doch du hast die Fratzen des Bösen überlebt und du weißt, wie es sich anfühlt, wenn andere nach deinem Leben trachten. Du solltest zur Hülle verkommen. Du solltest keine Würde empfinden und dich aufgeben. Du hast überlebt und deine Flügel sind stark und kräftig, wenn du dich in die Höhen der Erkenntnis aufschwingst. Du bist der Feuervogel.


Politik, Würde und Menschenrechte

Wir alle unterliegen den Bildern der Medien. Tagtäglich wird über Politiker berichtet. Ihre Sprecher verlesen ihre inhaltlichen Ausrichtungen und manchmal sprechen sie persönlich in sehr gewählten Sätzen über ihre Anliegen. Wir können versuchen, uns ein Bild zu erarbeiten. »Welcher Politiker ist der Wahrheit verpflichtet? Wer möchte die Demokratie bewahren, die Menschenrechte schützen? Bei welchem Politiker kann man sicher sein, dass er sein Fähnchen nicht nach dem Winde dreht? Wer geht ernsthaft mit den aktuellen Problemen um und wer schielt nur nach wirtschaftlichen Vorteilen? Bei wem kann man Vertrauen entwickeln, indem man sicher sein kann, dass er oder sie nicht nur auf Wiederwahl setzt? Wer versteckt die Vorteilssuche hinter einer scheinheiligen Hülle? Von wem werden wir geblendet?« Bei vielen Politikern stehen die wirtschaftlichen Bemühungen im Vordergrund. Sie gehen davon aus, wiedergewählt zu werden, wenn es der eigenen Nation unter ihrer Führung gut geht. Doch wir alle wissen, dass unsere Nationen in der globalen Welt eingebunden sind. Der globale Markt hat seine Gesetze und die ethischen Ansprüche können nicht grundsätzlich mit einem tobenden Markt kongruent abgeglichen werden. Viele Verträge, viele Deals widersprechen einer ethischen Ausrichtung. Viele Wirtschaftsinteressen widersprechen den Menschenrechten. Die ausufernde Wirtschaftspolitik kann und muss kritisch überprüft werden. »Welche Waffenlieferungen sind abzulehnen, welche Handelsabkommen widersprechen einer ausgewogenen, regionalen, ausgleichenden Gerechtigkeit? Bei welchen Deals werden die Menschenrechte verletzt? Wann werden die Einheimischen vernachlässigt, über den Tisch gezogen? Welche Bevölkerungsgruppe wird von wichtigen Ressourcen abgeschnitten? Welche Politiker nehmen Entscheidungen in Kauf, bei denen eine große Zahl an Menschen zu einem unwürdigen Leben verdammt wird?« Wir kennen die Politik der schnellen und oberflächlichen, nicht nachhaltigen Entschlüsse. Nationen greifen immer wieder nach Stacheldraht und Mauern. Die Geschichte zeugt von dieser Art der menschenfeindlichen Politik. Die Menschenrechte werden verletzt, Bevölkerungsgruppen werden ausgesperrt, vom Handel abgeschnitten, von Straßen und Wasservorkommen ferngehalten. Man möchte sie unterdrücken, am Handel, am internationalen Austausch nicht teilhaben lassen. Die Würde des Menschen ist unantastbar, die Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Wer diese Werte, diese Errungenschaften der Menschlichkeit für wirtschaftliche Interessen und dubiose Scheinvorteile verrät, hat noch nicht begriffen worum es geht. Es geht um ethische Werte, die über den Handelsabkommen, jenseits von Mauern und Grenzen existieren. Diese Werte gilt es zu schützen. Unser aller Leben hängt davon ab. Wer dies nicht erkennt, kann die Ansprüche an die Gerechtigkeit, Freiheit und Würde nicht denken. Die Vorteilssucht reißt alle in den Abgrund.



Die Flüchtlingskrise und die Scheinwelten

Du siehst das Elend der Flüchtlinge. Die Tagesschau vermittelt dir einen kleinen und dennoch schockierenden Eindruck des Elends. Die darauffolgende Serie, die Scheinwelten und abgehobenen Probleme verwöhnter und überkandidelter Zombies erscheinen dir immer perverser. Aufgespritzte Lippen, Menschen mit unerträglichen Luxusproblemen. Yachthäfen mit aufgeblasenen Menschen, die ihre Zeit totschlagen, du kannst die Widersprüche nicht ertragen. Die drängenden Themen eines unsolidarischen Europas, einer aus den Fugen geratenen Politik am Rande des gesellschaftlichen Zusammenhaltes lassen dich nicht ruhen. Die Todesangst in den Augen der Flüchtlinge lässt die darauffolgende Werbung für dich wie ein Hohn erscheinen. Es werden Autos angepriesen, die zu viele Abgase produzieren, Banken gelobt, die Existenzen vernichten, Produkte beworben, die keiner braucht. Alles stinkt zum Himmel. Die Widersprüche können nicht länger geleugnet werden. Wir alle leiden unter Scheinwelten. Wir alle sind Opfer einer legendären Gehirnwäsche, die angesichts der drängenden Probleme immer offensichtlicher wird.


Der Panzer

Du fährst in deiner schwarzen Limousine durch die Straßen Sao Paulos. Es könnte genauso jede andere Mega City sein. Du lebst im Frust. Du bist der Wegläufer. Deine gepanzerten Scheiben schützen dich, während dich dein innerer Panzer quält. Deine Seele schmerzt und erhält keine tiefe Befriedigung. Die guten Charaktere hast du schon lange vergrault und ihre Worte hallen nach. Du weißt sehr genau, dass die Kritik an deinem Handeln berechtigt war. Damals hattest du dich der Illusion hingegeben, dass dein überquellender Kontostand dir eine tiefe Befriedigung verschaffen würde. Das Gegenteil ist eingetreten und du lebst in Widersprüchen. Diese seelischen Qualen sind schlimmer als jemals befürchtet. Dein Ausbeutungssystem funktioniert. Während du mit deiner gepanzerten Limousine durch die Straßenschluchten fährst ist dir sehr wohl bewusst, dass genau jetzt in dieser Sekunde sehr viele Menschen unter unwürdigen Bedingungen für deine Gier schuften. Du verkaufst es als soziales Engagement, da du Arbeitsplätze schaffst. Du hast den Standpunkt deiner Fabrik sorgfältig ausgewählt. Die Armut treibt die Menschen zu dir. Der Hunger und die Perspektivlosigkeit vermitteln dir billige Arbeitskräfte. Die Kranken können blitzschnell durch andere Hungernde ersetzt werden. Die Ausgebeuteten setzen ihre Gesundheit aufs Spiel, denn du willst nicht in Schutzmaßnahmen investieren. Dir ist das alles sehr wohl bewusst, doch du erkennst noch nicht, dass du selbst zum Leidenden geworden bist. Du tröstest und rechtfertigst alles mit deinem Gewinn und deine Mitläufer applaudieren, wenn du dein Ausbeutungssystem perfektionierst. Du bist der ganz große Geschäftsmann mit dem klaren Durchblick. Der Lohn, den du bereit bist zu zahlen, ist eine Farce und du müsstest dich in Grund und Boden schämen. Während du für diese menschenunwürdigen Verhältnisse verantwortlich bist, fühlst du eine immer größer werdende Leere. Die vielen Ablenkungen lassen dich schon lange nicht mehr zur Ruhe kommen. Deine erhoffte Glückseligkeit hatte sich nie eingestellt. Im betrunkenen Zustand prahltest du vor allem vor den jungen Frauen mit deinem Vermögen, während du die Gier in den Augen dieser Damen sahst. Du konntest dich nicht verlieben. Es war eine schäbige Seifenoper, ohne Sinn und Verstand und nach der Wiederholung der Wiederholung hattest du diese Damen satt, denn sie kannten keine Inhalte. Sie wollten von dir profitieren und du misstrautest ihnen, zu Recht. Dein Leben gefällt dir schon lange nicht mehr und du fühlst dich einsam. Du lebst in einer dich aushöhlenden Frustration. Um diese Lügen und Widersprüche auszuhalten, hast du dir den Panzer des Verdrängens umgelegt. Er lässt nichts rein und nichts raus, während du emotional verkümmerst. Dir geht es sehr schlecht, denn der Panzer engt dich ein, du läufst unbeholfen und deine Gedanken kreisen um den Profit. Es ist eine niederschmetternde Welt aus Lügen und Widersprüchen. Dein Haus wird rund um die Uhr von einem Sicherheitsdienst überwacht und die Isolation tut dir nicht gut. Du hast Angst ausgenutzt zu werden, schlimmer: Du kannst dir nicht mehr vorstellen, um deiner selbst willen geliebt zu werden. Die vielen Schleimer um dich herum öden dich an und eigentlich vertraust du niemandem mehr. Die Einsamkeit und das Misstrauen höhlen dich aus. Manchmal möchtest du abtauchen, unerkannt und anonym leben. Ab und zu lädst du ein und gleichzeitig weißt du schon im Voraus, dass dir alle zum Mund reden werden. Die Ehrlichen, die Mutigen hattest du vor langer Zeit hinausgeworfen. Du wolltest nicht gespiegelt werden. Doch die Schleimer und Gierigen verderben dir nun das Leben. Die Authentischen melden sich schon lange nicht mehr. Du fühlst dich sehr, sehr einsam. Du spürst, dass du dich selbst belügst. Du spürst, dass dir dein emotionaler Panzer nicht gut tut. Du liebst nicht mehr. Du strahlst nicht mehr. Du trocknest aus, während sich dein Geld vermehrt. Dieses Leben füllt dich nicht aus. Es gefällt dir nicht. Du bist untröstlich. Du suchst nach neuen Wegen, um dich besser zu fühlen und gleichzeitig mahnt dich deine innere Stimme: »Du wirst überhaupt nichts verändern können, wenn du nicht Grundsätzliches veränderst, wenn du nicht bereit bist ein Mensch zu werden.« Dein Leiden rührt her aus einem doppelten Verlust: Du hast dich zum Zombie entwickelt und du lebst nach unmenschlichen Regeln. Du bist zum Ausbeuter verkommen. Was den Menschen zum Menschen macht hast du aufgegeben. Du hast dich von der Wahrheit, der Gerechtigkeit und Menschlichkeit entfernt. Du hast dich von den Wahrhaftigen getrennt. Du hast die Gerechten verleumdet, die Guten denunziert. Du hast billige Affären der Liebe vorgezogen. Du bist verarmt, während dein Kontostand wuchs. Du erträgst dich nicht mehr. Alle die dich umgeben, wollen dein Geld. Du hast keine echten Freunde. Du hast alle verjagt. Du bist zum Leidenden geworden. Deine Brust schmerzt, denn dein Panzer aus Gier und emotionaler Kälte lässt dich nicht mehr unbeschwert durchatmen. Deine Augen sind trübe, dein Geist betäubt, denn du erträgst dich nicht mehr nüchtern. Du schleichst mit deiner gepanzerten Limousine an den Slums deiner Stadt vorbei. Dein Panzer aus Chrom und Glas kann sich niemals in den Armenvierteln sehen lassen. Die Armen würden dein gepanzertes Fahrzeug mit Steinen und faulen Tomaten bewerfen. Die menschenverachtende Ausbeutung führt zu immer mehr Kriminalität, zu noch größeren Slums und zu einer immer stetig anwachsenden Gewalt. Du bist ein Teil dieser Spirale und das Anwachsen deines Kapitals lässt dich schlaflos werden. Was dir einst Sicherheit und ein Wohlgefühl vermitteln sollte, führt nun zu deinen Depressionen. Es ist die Einsamkeit, es ist die Inhaltsleere und Verlogenheit und die Lügen verfolgen dich bis tief in die Nacht. Deine Fabrik meidest du mittlerweile, denn du schaust nicht mehr gern in die Augen der Ausgebeuteten. Du bist frustriert und unzufrieden. Die Ausbeutung hinterlässt auch in dir Spuren. Neulich musstest du die Anzahl deines Wachpersonals erhöhen und die Straßenkämpfe kommen immer häufiger vor. Die Verzweifelten, die Hungernden müssen sich wehren. Du fürchtest bereits seit längerem um dein Leben und fährst grundsätzlich nur noch mit deinem abgedunkelten Panzer durch die Straßen von Sao Paulo. Du wirkst erschöpft und ausgebrannt. An einigen Straßen wirst du neuerdings mit Knüppeln begrüßt. Die faulen Eier sind die eher harmlose Variante der Verzweifelten, der Hungernden. Heute Abend bist du wieder zu einer Charity Gala eingeladen, wo sich einige Frauen an deinen Hals werfen werden. Sie kennen sich aus mit dem gepflegten Small talk, mit den Gesprächen aus vielen Worten und unverbindlichem Inhalt. Du bist berühmt und berüchtigt für deine Wutanfälle, wenn irgendjemand inhaltlich werden sollte. Man wird dich mit roten Samthandschuhen anfassen und den größten Nutzen aus dir ziehen wollen. Sollte sich mal eine Künstlerin in deinen Kreisen verirrt haben, so wird sie dir ein paar Bilder andrehen wollen, die rein dekorativ sind, denn du liebst keine Inhalte. Dein Leben plätschert so dahin. Es schmeckt fade, es ist fade. Du bist langweilig und gleichzeitig gefährlich. Manchmal verkleidest du dich und ziehst deine alten Turnschuhe an. Du möchtest den Dreck der Straße einatmen. Du hältst die Kälte und diese sterile Welt nicht mehr aus. Dein Panzer ist unerträglich, deine Brust will frische Luft und deine Seele braucht normale Menschen. Sie lechzt nach der Einfachheit, nach der wahren Liebe. »Ob mich jemand anlächeln wird, wenn ich in zerfetzten Jeans durch die Gassen laufe?« Du bist aufgeregt, als du das nächst liegende Slum erreichst. Überall riecht es nach einfachen, leckeren Speisen und du würdest so gern einen Teller mit Eintopf genießen. Doch die Angst kriecht in dir hoch: »Ob ich erkannt werde?« Du verlässt den Slum und rufst deinen Fahrer an. Später sitzt du wieder in deinem klimatisierten Panzer, während sich in dir wieder der eiserne Panzer um deine Brust legt. »So kann es nicht weitergehen, ich lebe nicht mehr! Ich kann niemandem mehr vertrauen und ich habe die Gerechten verscheucht. Ich bin ein Ekel, ein ungerechter Ausbeuter. Ich suchte den Vorteil und fand die Lüge. Die Marionetten ertrage ich nicht länger. Die Frauen ohne Werte nerven und die Freunde ohne Rückgrat stören. Ich bin einsam und verzweifelt! Ich werde morgen wieder mit alten Schuhen durch das Slum laufen. Ich will atmen, leben, lieben und mich spüren.« Du wirst deine Fabriken verkaufen und völlig andere Arbeitsplätze schaffen müssen. Der Zweifel am maximalen Gewinn meldet sich bereits täglich, stündlich. Er ist immer da, er lässt dich nicht mehr zur Ruhe kommen. Du willst alles ändern. Heute Abend wirst du die Einladung ausschlagen und dir Gedanken machen. Du wirst deinen alten Freunden reinen Wein einschenken. Hoffentlich glaubt man dir. Du willst nicht länger im Frust und in Widersprüchen leben. Du suchst die Freiheit. Du willst deinen inneren Panzer loswerden. Der schreckliche Luxus hat dich einsam werden lassen. In deiner gepanzerten Limousine warst du nie glücklich, in deiner gesicherten Villa nie ausgeglichen. Du fühltest dich isoliert. Das immer wieder kehrende Korken-Knallen stört dich, nervt dich. Du willst dieses Spiel beenden. Das Zeit-Totschlagen darf nicht mehr vorkommen. Du hast besseres zu tun und du weißt sehr genau, dass du die Menschen nicht mehr ausbeuten willst. Dein Reichtum gibt dir die Möglichkeit, Schulen, Krankenhäuser und Waisenkinderdörfer zu bauen. Das wirst du tun. Dein Panzer wird sich verflüchtigen und das Leben wird sich wieder zurückmelden. Die Verdrängenden werden nicht mehr zu deinen Freunden gehören. Die immer gleichen Themen über Autos, Wachpersonal und Charity werden in deinem Leben keine Rolle mehr spielen. Du brauchst nicht länger zu verdrängen. Die letzten Jahre deines Lebens werden nicht in der Isolation stattfinden. Du willst der Armut begegnen und du willst etwas tun. Seit du kein Ausbeuter mehr bist, brauchst du keine Panzer mehr. Seit du ein Liebender bist, gehst du auf starken, festen Beinen durch die Straßen. Du liebst den Dreck, die Gerüche, Hunde und die vielen Eindrücke. Du genießt das Leben, denn du hast die Isolation durchbrochen. In dir fließt der freie Atem. Dein trauriger, isolierter Zustand ist aufgehoben, durchbrochen. Du hast die Welt der Lügen und Widersprüche hinter dir gelassen. Wenn du eine gepanzerte Limousine siehst, bedauerst du ihre Insassen. Sie sitzen im Gefängnis.