Beate Reinecker

Philosophische Texte


Elf ausgewählte Kapitel aus dem Buch:

Ethische Horizonte


ISBN: 978- 3-7557-3036-1


Im Regen tanzen
Es bedeutet und beinhaltet eine große Lebenskunst, im Regen zu tanzen. Die besondere Leistung besteht in der Aufrechterhaltung der Beweglichkeit. Sich über Einschüchterungen, schlechte Vorhersagen und ganz reale Hindernisse des Lebens hinweg zubewegen, erfordert das klare Auge des Erkennens und das große Herz einer leidenschaftlichen, bejahenden Liebe zum Leben. Kein Rückzug, sondern gehen, weiterhin suchen und lernen. „Lass dich nicht verbiegen, auch wenn du aufgehalten werden solltest! Schau auf dein Ziel und öffne deine Augen! Du wirst einen langen Atem brauchen, wenn dein Handeln deinen Überzeugungen entspricht. Du wirst im Regen tanzen lernen, wenn du erkennst, dass Sinnhaftigkeit nur gehaltvollen Inhalten entspringt. Ein Mensch ohne echte Überzeugungen und fundierte Werte verläuft sich im Wirrwarr irgendwelcher Ablenkungen und Scheinzielen. Verrate dich nicht und gib nicht auf, auch wenn du verraten wirst! Du wirst es nicht verlernen, im Regen zu tanzen, denn deine Lebensquelle fließt unaufhörlich weiter und speist sich aus dem Wasser der Unendlichkeit. Es ist die Lebensquelle der ewigen Werte, die immer bestehen bleiben. Lass dich nicht kaufen oder einschüchtern! Deine Lebensfreude bleibt dir erhalten, wenn du dir treu bleibst und jede Chance der Aufklärung nutzt. Du bleibst beweglich, wach und neugierig. Deine Haltung der Konstruktivität leitet dich zu neuen Horizonten und lässt dich Krisen überstehen.“


Wohin gehe ich?

Damit du nicht fremdgesteuert von einem Desaster zum nächsten stolperst, wäre eine Zielorientierung wichtig. „Was willst du? Was passt nicht zu dir? Welche Inhalte sind dir wichtig? Welche Werte vertrittst du?“ Du wirst nicht als Fremdbestimmter enden, wenn du täglich reflektierst und dich inhaltlich orientierst. Deine Authentizität, deine Freiheit und Mündigkeit wollen mit frischen Inhalten untermauert sein. Die ewigen Werte und Rechte des Menschen, seine Unversehrtheit und Würde gelten grundsätzlich, doch viele Machtgierige, die unmenschlich handeln, verletzen jede Würde. „Bleibe wachsam! Wer ist es, der die Menschenwürde und die Menschenrechte verletzt?“ Wenn du hellwach und selbstkritisch bleibst, werden dir auch die Verwerfungen innerhalb deines gesellschaftlichen Umfeldes nicht verborgen bleiben. Denn: Diese Tendenzen sollen nicht auf dich abfärben. Du möchtest weder manipuliert noch kontrolliert werden. Du willst weder zum Mitläufer noch zum Geizhals mutieren! Dein Wachstum verhindert es, dass du zu einem asozialen Subjekt verkommst. „Bewahre deine Menschlichkeit!“

Liebe und Mut gegen die Angst
Der Liebende verschenkt sich gern und achtet nicht darauf, ob er zu viel gegeben hat. Der wahrhaft Liebende gibt von Herzen und es strömt immer viel Wärme und Trost, gute Energie und Zuversicht zurück. Der Kreislauf des Gebens und Nehmens wird nicht unterbrochen, wenn keine Störfaktoren dazwischen gehen. Wärme schenken, Mut machen und das Licht der Wahrheit suchen, gehören genauso dazu, wie Gier und Neid zu vermeiden. „Du brauchst keine Angst vor der Wahrheit zu haben, ganz im Gegenteil! Du darfst aus der Höhle heraustreten. Du darfst dich ins Licht stellen. Du wirst Wärme und Hoffnung empfangen. Der Mut zur Logik wird dich in dunklen Stunden tragen, denn dein Mut treibt dich an zu lernen. Du gibst dich nicht mit bösen Märchen zufrieden und deshalb siehst du klar und gelangst zur  Wahrheit.“

Ich habe nur meine Pflicht getan
Als sich die Gesellschaft wieder neu aufstellte und die Schrecken der Vergangenheit aufarbeiten wollte, stellte sich der Mitläufer in den Raum: „Ich habe nur meine Pflicht getan! Auf mich konnte man sich immer verlassen! Ich war kein Aufwiegler und Demonstrant!“ Der „Pflichtbewusste“ war sich keinerlei Schuld bewusst. Er versteckte sich hinter dem Gehorsam, hinter seiner unhinterfragten Pflichterfüllung. Er versteckte sich hinter seinem bürgerlichen Image, das von ihm den bedingungslosen Gehorsam forderte. Für ihn kamen weder damals noch heute eine Staatskritik in Frage. Er würde niemals widersprechen. Er würde grundsätzlich seine Pflicht erfüllen. Es scheint für ihn keinerlei Relevanz zu haben, was von ihm gefordert wird. Als er zum Mitläufer wurde und gleichzeitig zum Täter, hatte er das nicht bewusst erfasst. Die ethische Kompetenz fehlte und sie erfordert mehr als das Abarbeiten irgendwelcher Befehle. Die ethische Kompetenz erfordert, sich ein Bild der Situation zu erarbeiten. „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ Diese Anforderung, Richtlinie, ist nicht verhandelbar. Wird sie überschritten und wird sie in einer Gesellschaft nicht ernst genommen, so laufen die demokratischen Ansprüche aus dem Ruder, schlimmer: Sie werden mit Füßen getreten. Die Missachtung der Würde des Menschen ist ein beängstigendes Indiz für eine destruktive Haltung der Verantwortlichen. Es ist ein sicheres Indiz dafür, dass alles aus dem Ruder läuft, dass der Demokratieabbau in vollem Gang ist. Sollten die Täter später einmal zur Rechenschaft gezogen werden, so wird sowohl der Verantwortliche in einer gehobenen Position, als auch der bürgerliche Mitläufer überwiegend im Nachhinein auf unschuldig plädieren, da er in der Pflichterfüllung den eigentlichen Wert gesehen hat. Die formale Ausrichtung der Handlungen ohne eine ethische Überprüfung der Folgen gehört zum bedingungslosen Gehorsam. Die Mächtigen ordnen an und die Gefolgsleute unterwerfen sich. Es wird weder die gesellschaftliche Situation noch die Folgen der Verordnungen kritisch überdacht. Die Täter verdrehen die Wirklichkeit: „Die Lüge ist die Wahrheit!“ Die Bequemlichkeit verhindert eine Recherche außerhalb des Mainstreams und der angepasste Mitläufer versteckt sich hinter Anordnungen. Sollte das System entlarvt werden, weist er jede Schuld von sich: „Ich war und bin pflichtbewusst! Ein ordentlicher Bürger leistet keinen Widerstand, wenn die Obrigkeit Befehle erteilt.“


Dein Mutbaum

Dein Mutbaum ist erstaunlich gewachsen! Er war klein und zart. Du musstest ihn beschützen und pflegen. Wasser und gute Erde gaben ihm Kraft und die Lebensquellen spendeten tagein und tagaus neue Energie. Der Mutbaum trägt Früchte und ernährt viele. Er hält dem Sturm der Lüge stand. Er wurde im Denken der Hoffnung gepflanzt. „Deine Kraft wächst wie der Mutbaum! Deine Früchte sind dein Denken. Sie versorgen die Menschen mit positiver Energie!“ Du kannst weitere Mutbäume pflanzen. Sie spenden Trost und Kraft, neuen Mut und Hoffnung in dunklen Zeiten. Der Mutbaum als Sinnbild der Freiheit und Menschlichkeit mahnt dich in schwierigen Zeiten zur Vorsicht. Er beugt sich in seiner Flexibilität und lässt sich nicht brechen. Die Wurzeln sind tief verankert im Boden der Wahrheit. Diese Standhaftigkeit beweist sich in den Zeiten der Krise. Die Früchte der Wahrheit übertragen die Energie der Menschlichkeit. Dein Mutbaum bleibt standfest und versorgt die Suchenden.


Positive Botschaften, positive Botenstoffe
Dir wurde es immer deutlicher, klarer und eindeutig verständlicher, dass die positiven Botschaften nicht auf einer oberflächlichen, scheinbar beruhigenden Ebene formuliert und an den Menschen herangetragen wurden. In Krisensituationen empfandest du die gut gemeinten Ratschläge und angeblich tröstenden Worte oft als unecht und nicht authentisch. Aus der Erfahrung des echten Leids konntest du am Leben lernen und wahrhaftige, ernst gemeinte Sprachhandlungen sofort erkennen. Die authentischen, ernst gemeinten Fragen und Antworten erwärmten dein Herz, während die oberflächlichen, nicht authentischen Fragen und gut gemeinten Wünsche in dir einen unangenehmen, verletzenden Beigeschmack hinterließen. In schwierigen Situationen wird der Mensch sensibel und hellhörig. Er muss in Krisen erfinderisch und hellwach bleiben, denn neue, schwierige Situationen bedürfen neuer Wege. Es zeigt sich sehr deutlich, wer es ernst meint und wer Betroffenheit heuchelt. Der von Herzen gerne Helfende lässt sich nicht bitten, denn er wird die Not erkennen und aus sich heraus tätig werden. Der Empathische, der Wohlwollende, erfährt über seine Möglichkeiten des Empfindens und Mitfühlens das Ausmaß eines Leidenswegs. „Es regen sich in dir positive Botenstoffe, wenn du aus dir heraus tätig wirst! Solange du einen guten, direkten Kontakt zu dir pflegst, spürst du innere Impulse, die dir die Richtung weisen. Lass niemals den unverfälschten Kontakt zu dir abreißen.“ Du empfängst unmittelbar innere Impulse, die du brauchst, um schnell und effektiv zu handeln. Du wirst erkennen, wer es mit dir ehrlich meint. Du wirst Lösungen entdecken. Deine Kreativität wird dir helfen, neue Wege einzuleiten. Die Hoffnung stärkt dein Denken und Handeln, denn sie entspringt deinem tiefsten inneren Kern. Der Mut beflügelt dich, um deine Ideen umzusetzen. Im Sekundentakt wirst du die Mimik deiner Mitmenschen deuten und du wirst deine Freunde von deinen Feinden unterscheiden können. In der Krise zeigt sich, wer zu dir steht. In der Krise werden dich positive Botenstoffe aus den Tiefen deines Ichs begleiten. Hoffnung und Mut tragen dich durch die Krise.


Positive Botenstoffe

Deine Lust auf das Leben zeigt dir, dass du dich nicht verleugnest. Deine Euphorie treibt dich an, denn du kannst auf dich vertrauen. „Du bist richtig!“ Dir geht es gut, seit du keine zweifelhaften Ausreden und Entschuldigungen in deinem Leben mehr zulässt. „Glaub an Dich! Achte deine Gefühle! Deine Intuition ist es wert, beachtet zu werden!“ Trug- und Scheinbilder haben keinen Platz in deinem Leben, da du es nicht nötig hast, dich und andere zu belügen. „Nimm dich und die anderen ernst! Wenn du dich nicht belügst, wirst du auch mit deinem  Gegenüber aufrichtig umgehen. Du bewegst dich auf einer Spur der Konstruktivität. Positive Botenstoffe fluten dein Selbst und du erwartest den neuen Tag voller Freude.


Es ist nie zu spät!
Es ist nie zu spät umzukehren, zu vergeben und reinen Tisch zu machen. Es ist nie zu spät zu lernen und sich Fehler einzugestehen. „Was wollen dir deine Lebenserfahrungen mitteilen? Was kannst du daraus ziehen? Es ist nie zu spät zurückzublicken, um erfahrener und sicherer vorwärts zu gehen. Du kannst dich über deine Erfahrungen freuen, wenn du ohne Groll zurück siehst. Du wirst loslassen können, wenn du ohne Verbitterung die Lektionen deines Lebens als Geschenk annimmst. Lass alles los und bewahre die Schätze in deinem Selbst! In den Erinnerungen liegen Kräfte auch für dunkle Stunden.“


Das wilde Herz
Du warst oft missverstanden worden. Deine Wildheit wurde als Aufmüpfigkeit und Egozentrik interpretiert. Nur die freien Denker und die ungezähmten Künstler verstanden, worum es bei dir in deinem Leben wirklich ging: Du warst und bist genau das Gegenteil von „ich-bezogen“, weil du die Menschen um dich herum wachrütteln willst. Da sich viele Menschen in einen Tiefschlaf zurückgezogen haben und willfährig abarbeiten, was von ihnen verlangt wird, ohne kritisch zu denken, wolltest du sie erreichen. Deine Kreativität ermöglichte es dir, viele Sprachen der Menschlichkeit zu sprechen. Kunst, Literatur und authentische Gespräche sollten den Geist, den Verstand, das emotionale Zentrum erreichen. Während die Angepassten um ihre Materie kreisten, wurden sie Schritt für Schritt entmündigt. Sie spürten ein Unbehagen, doch sie trotteten dahin und sorgten sich um ihre materiellen Bedürfnisse. Diese vordergründigen Antriebsfedern ließen sie unkritisch und unaufgeklärt zurück. Sie empfanden jede kritische Überprüfung ihrer Lebenslage als zu anstrengend. Sie wollten vorwärtskommen und schraubten sich in die Tiefen der Herzlosigkeit. Es war und ist der Zustand einer Fremdbestimmung, die menschliche Impulse immer mehr abbaut. Ist es in den jungen Jahren der Verlust der Neugierde und Spontanität, so wird es im mittleren und späteren Alter zu einer ausgewachsenen Denkfaulheit kommen. „Ich gehe den geraden Weg meiner ganz persönlichen Karriere!“ Der Lebenslauf, der Weg einer stromlinienförmigen Anpassung, sollte den Wohlstand, den gesellschaftlichen Status sichern. Was könnte man dagegen einwenden? „Solltest du für dein Fortkommen dich und deine Menschlichkeit einbüßen, so verlierst du deine Würde!“ Das wilde Herz bleibt in der Lage, sich emporzuschwingen. Es wird sich seine Antennen der Kreativität, der Lebendigkeit bewahren! Somit bleibt es frei und offen für neue Informationen. Diese sind bitter nötig, um den Wandel der Zeit zu begreifen. Während der um die Materie Kreisende in seinem Opportunismus zum Gefangenen geworden ist und seine Augen und Ohren nicht mehr für das Licht, für die Wahrheit und Klarheit empfänglich sind, lernt der Menschliche täglich dazu und verfolgt die Kontexte des Lebens. „Du wirst nur den Wandel der Zeit begreifen, wenn du stark genug bist, kritisch und frei zu denken. Bleibe lebendig und versickere niemals in der Kleinkrämerei eines oberflächlichen Vorteilsdenkens. Opfer nicht deine Impulse, deine echten Gefühle, deinen Zugang zur Menschlichkeit!“ Der Angepasste, der Unterworfene, läuft als Zombie durch die Welt. Nichts war und ist ihm wichtiger als seine Absicherung, während er sich selbst als Menschen verloren hat.


Die gewaltfreie Zone
Das große, weite Herz bevorzugt die gewaltfreie Zone. In ihr lebt die gewaltfreie Kommunikation. Die innere Haltung der Gewaltfreiheit zeigt sich in der Sprache. Am Tisch des Friedens wird nach einer Verständigung, einer Lösung, einem friedlichen Weg gesucht. Die Lösungsorientierung zeigt sich im Verstehen-Wollen. Dies ist das Gegenteil von Beherrschen-Wollen. Die Orientierung, die einer Klärung, einer Verständigung dient, ist das Gegenteil eines Missbrauchs. „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ In der zugewandten, offenen und herrschaftsfreien Kommunikation zeigt sich der Respekt vor dem anderen. Gewaltvermeidung wird deutlich, wenn Kommunikationspartner ehrlich und authentisch den Austausch suchen. Dies setzt ein wahrhaftiges Interesse voraus. Die Gewaltvermeidung lässt keine Verleumdungen, Abwertungen oder Einschüchterungen zu. Diese Gesprächsstörer verhindern jeglichen ehrlichen Kontakt, denn die Verletzungen auf dem Weg der Kommunikation führen zu Misstrauen, Abgrenzung und der Zerstörung der Beziehung. „Der andere könnte auch Recht haben!“ Diese Haltung beinhaltet den Anspruch auf einen Austausch, bei dem jeder Gesprächspartner ernst genommen wird. Es beinhaltet den Wunsch, den anderen zu verstehen. Um diese Chance auf ein wirkliches Verstehen zu realisieren, darf man nicht voreingenommen in ein Gespräch gehen. Da Gewalt vermieden werden soll, mündet der Austausch sowohl inhaltlich und formal in friedlicher Mission. Jede Form der Respektlosigkeit, Gewalt und Herrschsucht hat keinen Platz am Tisch der Liebe. Die Liebe, die Freiheit, die Würde kann es nur dort geben, wo eine gewaltfreie Zone besteht. „Wir sind dazu aufgefordert, unser Gegenüber verstehen zu wollen. Wir sind auch aufgefordert, Strukturen der Gewalt zu erkennen.“ Sollte uns ein Mensch Gewalt antun, müssen wir für unsere Sicherheit sorgen. Unsere Verantwortung uns selbst gegenüber beinhaltet eine klare Sicht auf die Kommunikation, die zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge. In der Sprache wird die Haltung deutlich und an den formulierten Zielen und Absichten zeigt sich die Intention. Jegliche Form der Respektlosigkeit, der Abwertung und der Spaltung ist unmenschlich. Eine offene, freie Gesellschaft hat das Ziel, ihre Mitglieder in gegenseitigem Respekt zu vereinen. Gewalt und Hetze sind das Gift der Zerstörung. Ausgrenzungen, Vorverurteilungen und Abwertungen torpedieren jegliche Chance auf ein gegenseitiges Verstehen. „Öffne dein Herz und bleibe neugierig! Das große, weite Herz sucht Verständigung! Auch du wirst dich daran messen lassen müssen, inwieweit du in der Lage bist, herrschaftsfrei zu diskutieren. Auch wenn es manchmal zu schwierig erscheint, so versuche auf dem Weg der friedlichen Kommunikation zu einer Lösung zu kommen.“