Beate Reinecker

Philosophische Texte

Vier ausgewählte Kapitel aus dem Buch:


Freude und Sein

ISBN : 978-3754327111


Wenn das Haben regiert

In dem Dunstkreis des Herrschers, der das Haben über alles stellt, kann niemals das Menschliche gedeihen! Nicht selten werden Suchende, Denkende und Empathische fliehen, wenn die Brutalität des Herrschenden zuschlägt. „Wer seinen menschlichen Kern retten kann, wird auch weiterhin das Licht der Wahrheit und Klarheit empfangen! Wirst du dich auf den Salzmarsch begeben, wenn die Zerstörungswut der Destruktiven zunimmt? Wirst du wie Ghandi den Weg der Liebe und der Freiheit gehen?“ Das Vorbild der Gewaltfreiheit leuchtet klar und hell. Die Mitläufer der Gewaltstrukturen werden sich vor den Karren der Unmenschlichkeit spannen lassen. Die Gewaltfreien, die Menschlichen, zeigen deutlich, wozu Menschen fähig sind, die sich weder kaufen noch manipulieren lassen. Der Weg ist das Ziel. „Du wirst dem Gierigen, Unmenschlichen, die Stirn bieten, wenn du dir treu bleibst und wenn du dich nicht dem System der Zerstörungswut unterwirfst!“ Als das unmenschliche System entlarvt wurde, stritten viele ab, dass sie ihm einmal treu zugetan waren. Sie leugneten ihre Schuld und behaupteten, doch nur ihre Pflicht getan zu haben. Stille oder laute Revolutionen stellten die menschenwürdigen Verhältnisse wieder her. Mitläufer verleugnen ihre Mit-Täterschaft. Die vielen Wendehälse drehen ihren Kopf in Richtung Vorteil. Sie werden mitlaufen, weder der Wahrheit noch der Gerechtigkeit verpflichtet sein. In Zeiten der Freiheit und des Überflusses fallen sie nicht auf. Sie laufen mit. In Zeiten materieller Probleme wenden sie ihren Hals Richtung Vorteil. Sie sind keiner Wahrheit verpflichtet. Sie schwimmen mit dem Strom und tarnen sich. Sie plappern irgendwelche Parolen nach, weil es gerade gut ankommt. Sie sind weder der Gerechtigkeit noch der Menschlichkeit verpflichtet. Ihnen erschließen sich nicht die klaren Gedanken der Menschenrechtler. Revolutionen sind für sie weltfremd und sie lassen sich durch die Menschlichen nicht berühren. Ihr Herz ist berechnend und ihr Denken vom Opportunismus zerfressen. Sie verschmähen geistige Nahrung, die zu einem ethischen Denken führen könnte. Sie verraten die Menschlichen und werten jede Art von Aufklärungsarbeit ab. Für sie gilt nur der primitive Vorteil einer Chance auf materielle Gewinne. Dabei verlieren sie jede Chance auf ein klares Denken. Der Suchende, der Lernende und der Gerechte werden sich immer wieder auf den Weg machen. Dieser Weg steht in der Tradition der ewigen Rechte, in der Tradition der Menschen- und Völkerrechte. Der Korrupte kann die Wirklichkeit nicht erkennen, da sich ihm die Dimensionen dieser ewigen Rechte nicht erschließen. Der Verräter schießt am eigentlichen menschlichen Dasein vorbei, da ihn weder die Gerechtigkeit noch die wahrhaftige Freiheit interessieren. Er ist von der Krankheit der Gier, des immerwährenden Haben-Wollens, zerfressen.


Der Verführte

Der Verführte liebte es, sich berieseln zu lassen und konsumierte das tägliche Fernsehprogramm in einem erschreckenden Ausmaß. „Ich schaue mehrmals täglich Nachrichten und bin rundum informiert.“ Doch niemand durfte seine Informations-quellen hinterfragen. Er hielt sich für medienkompetent und aufgeklärt. Sein Sachwissen zeugte aber von riesigen Lücken und die Bereitschaft, sich ernsthaft zu informieren und wissenschaftliche Aspekte einzubeziehen, war nicht vorhanden, obwohl dieses behauptet wurde: „Ich lese die Tageszeitung und kenne mich aus! Mir macht niemand etwas vor!“ In der heutigen Zeit mag es keine Universalgenies geben, doch dem Irrtum zu verfallen, mit einer Tageszeitung rundum informiert zu sein, ist abenteuerlich. „Ich spreche mit meinen Nachbarn und tausche mich aus! Mein Hausarzt sagt das gleiche, wie ich es im Fernsehen höre!“ Das gesellschaftliche Mantra wurde immer wiederholt und alle schienen sich einig. Diese Einigkeit wurde mit allen Mitteln verteidigt. Niemand durfte widersprechen. Es sollte keine Verunsicherung geben. Die Faktenlage scheint alternativlos. So wird sie jedenfalls hingestellt. Niemand soll Verunsicherungen in den Alltag streuen. Wir kennen die einfache, schnelle Lösung und alle Autoritäten sind sich einig: Politik und Religion ziehen an einem Strang und das ist und bleibt das einzig sinnvolle Narrativ. Die Spinner stellen vieles in Frage und deshalb gilt es, sie zu verteufeln! Es gibt zwar keine Hexenverbrennung, aber es gibt den gesellschaftlichen Tod. Der Verführte duldet keine kritischen Denkansätze. „Ich habe eine Meinung und diese entspricht der Mehrheit! Ich will mein Leben genießen und mich sicher fühlen. Verschont mich mit wissenschaftlichen Untersuchungen. Das ist etwas für Soziologen, Mediziner oder Chemiker!“ Der Verführte wollte mal wieder ausgiebig shoppen gehen. Dafür nahm er alles in Kauf. Die vordergründige Aussicht auf ein unbeschwertes Leben lockte und man wollte sich nicht mit kritischen Fragen auseinandersetzen. „Wozu haben wir Mediziner, Politiker und die Ethikkommission?“ Der Verführte überließ die Verantwortung für sein Leben anderen. Er hatte Besseres zu tun: Genießen und der Genuss lag im Konsum. 


Der Vordergründige

Der Vordergründige trug das Schild der Menschlichkeit vor sich her. Auch er wollte als informiert und gut beraten gelten. Er gab vor, ein kritisches Bewusstsein zu pflegen und verweigerte sich konsequent den neusten Informationen. Gleichzeitig gab und gibt er vor, die gesellschaftlichen Zusammenhänge zu begreifen. Das selektive Vorgehen im Bereich der Medien, verhagelte dem Vordergründigen eine vernünftige Medienkompetenz. Dies wurde abgestritten und unter dem Deckmantel der Menschlichkeit verborgen. „Ich setze mich für die Menschen ein und berate sie!“ Kann ein uninformierter Mensch andere beraten?“ Die Medienkompetenz ist ein Meilenstein für die Aufarbeitung der Faktenlage in schnelllebigen Zeiten. Der Unflexible, der Ignorant, wird keine Einschätzung der täglichen Veränderung innerhalb der Gesellschaft realisieren können. Somit lebt er selbst in der Gefahr, überrollt zu werden und gleichzeitig andere nur sehr oberflächlich und fehlerhaft zu informieren. Wer sich als kompetent und aufgeklärt gibt, sollte in der Lage sein, sich eine adäquate Medienkompetenz zu sichern. Diese Arbeit ermöglicht erst eine Beratung anderer.


Keine Erpressung

Die Freiheit, frei zu sein, war und ist dir ein besonderes Anliegen. Bereits in der Jugendzeit spürtest du, wenn ein Mensch nicht frei war und in den Ketten seiner Herren lag. Die Gefangenen konnten nicht frei entscheiden und imitierten ihre Autoritäten. Sie hatten Angst vor Aussprachen, flüchteten und konnten sich weder wehren noch einen Standpunkt vertreten. Die Gespräche mit ihnen stagnierten, denn es wurde viel reproduziert, ohne eine wahrhaftige Logik zu entwickeln. Du hattest oft den Eindruck, dass sie keinen echten eigenständigen Standpunkt vertreten konnten, da sie aufgrund ihrer Autoritätshörigkeit blockiert waren. Über diese Probleme konnte man nicht sprechen, denn die Unfreiheit hatte sich bereits in der Persönlichkeit manifestiert. Später entdecktest du erklärende Literatur und dir wurde deutlicher, welche Mechanismen griffen. Die Analysen der psychologischen Abhandlungen konnten dir helfen, über das Bewusstsein und Unterbewusstsein einiges zu erfahren und dir wurde klar, dass du wenig ausrichten konntest. Der Fremdbestimmte musste aus sich heraus die Reise seiner Befreiung antreten. Du bliebst auf der Suche nach einem Menschen, der die unbedingte Freiheit und die damit verbundene Verantwortung auf sich nehmen wollte. Du suchtest nach einem Menschen, der bereit war, in die Schluchten seines Selbst zu sehen und die Befehle der Autoritäten zu hinterfragen. Du wolltest einen mutigen, fleißigen Menschen treffen, denn die Freiheit, frei zu sein, erfordert den allerhöchsten Mut. Du wolltest nicht mit dem Auffangnetz eines verlogenen Systems dein Leben unterlegen. Du suchtest nach Inhalten und saugtest die Denkansätze der Dichter und Denker in dir auf. Du wolltest lernen, immer mehr wissen und die Zusammenhänge erfahren. Deine Abenteuerlust galt deinem intellektuellen Fortkommen und gleichermaßen den Erfahrungen in deinem echten Leben, der Welt um dich herum, während du pausenlos Parallelen entdecktest. Die zeitlosen Werte der Erkenntnis längst vergangener Zeiten hatten für dich den Wert der Überschneidung, denn du wusstest, dass die ewigen Werte stets Gültigkeit haben. Der Vergleich mit deinem Leben hauchte den Schriften der Denker immer wieder neues Leben ein. Du fühltest dich bei deiner Lektüre verstanden und du musstest erkennen, dass so mancher Philosoph in seinem Leben verfolgt, verbannt oder getötet wurde. Es bestand also ein direkter Bezug von der Aufklärung zur Verbannung. Der Philosoph lebt also gefährlich. Der Aufklärer wird häufig abgewertet, verfolgt und umgebracht. Du wolltest trotzdem frei denken und handeln. Du wolltest keinesfalls erpressbar sein. Keine Obrigkeit durfte dich verbiegen oder dein Rückgrat brechen. Du trugst die Verantwortung für dein Leben. Du wolltest weiterhin lernen. Es musste möglich sein, frei zu entscheiden. Zwang und Erpressung durften weder vorkommen noch toleriert werden. Die kleinen Schritte in Richtung Gängelung mussten erkannt werden. Du wolltest niemals ein Entfremdeter werden. Du wolltest niemals ein Roboter sein, der Dinge erledigt, hinter denen er nicht steht. Kein Geld der Welt durfte dich beeindrucken, das dir die Luft zum Atmen nimmt. Dein Atem sollte frei bleiben. Ohne Zwang und Erpressung zu leben, war ein Ziel, während die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit stetig voran schritt. Du musstest klären und denken, suchen und Lügen aufdecken. Der Philosoph lebt in Gefahr. Die Freiheit, frei zu sein, duldet keine Erpressung.